Warum ich keine Schwulenbücher schreibe

Als ich neulich den Artikel geschrieben habe über den chronischen Alkoholismus meiner Protagonisten, hätte ich natürlich ein weiteres Element erwähnen müssen, das sich wie ein roter Faden durch meine Geschichten zieht: Ich habe einen ziemlich hohen Anteil homosexueller Figuren. Das sollte in der heutigen Zeit kein Problem mehr sein, wo Homosexualität auch überall sonst in den Medien präsent ist. Es gibt sogar eigene Verlage für schwule Literatur, und könnte ich da nicht eine perfekte Nische finden für Figuren wie Alexander aus den Chroniken der Elomaran oder Percy, der in der Schattenuhr zu seiner eigenen Verwunderung nicht nur mit einem Mann im Bett landet, sondern auch noch realisieren muss, dass das nicht sein erstes Mal war. Ich könnte da sogar den von mir favorisierten Schluss des Puppenzimmers unterbringen, in dem es am Ende eine süße Romanze zwischen Florence und Lucy gibt. Aber das will ich nicht. Ich schreibe keine Schwulenbücher, ich schreibe keine Heterosexuellenbücher, noch nicht einmal Bisexuellenbücher – ich schreibe Bücher. Punkt.

Auch wenn ich ganz traditionell einen Mann geheiratet habe, werde ich mich auch weiterhin für die Rechte von Schwulen und Lesben stark machen – oder, wie das heute so schön heißt, LGBTQs, um auch ja niemanden auszulassen – und dazu gehört für mich auch das Recht, in ganz normalen Büchern und Filmen präsent zu sein und nicht nur in Schwulenbüchern und -filmen. Da ist das Publikum nämlich genauso voreingenommen und ärgert sich, wenn überhaupt keine Schwulen und Lesben vorkommen, sondern nur Heten. Also werde ich so weitermachen wie bisher und in meine Bücher Liebespaare jeder Ausrichtung einbauen und versuchen, diese am Buchmarkt zu positionieren, nicht für irgend eine Szene, sondern für Leser an sich. Genauso wie ich selbst in Liebesdingen grundsätzlich nicht auf Männer oder Frauen festgelegt bin, sondern davon profitiere, mir aus beiden Lagern den besten Menschen der Welt herauspicken zu können. Habe ich getan, bin sehr glücklich, nur heterosexuell werde ich davon trotzdem nicht mehr. Und das werden meine Bücher immer widerspiegeln.

Bloß, die Leser müssen mitspielen. Während ich denke, dass ich mit dem F/F-Schluss des Puppenzimmers keine so schlechten Katzen habe – das Buch zielt auf eine weibliche Leserschaft, und Frauen haben nach meiner Erfahrung deutlich weniger Probleme mit solchen Dingen als Männer – wird es schwer, wenn es einmal an die Vermarktung des Mohnkinder-Nachfolgers Schattenuhr geht. Im ersten Buch kommt die Romantik ziemlich kurz. Sicher wird niemand ein Problem damit haben, dass mehrmals angedeutet wird, Miss Konstantijn könnte lesbisch sein, aber auch in der Hinsicht passiert nichts. Im zweiten Buch passiert es dann aber, und nicht mit Marjorie, sondern mit Percy und Howard. Ergebnis: Mein einziger männlicher Betaleser ist mir abgesprungen, und das unter direktem Bezug darauf, dass er mit dieser Romanze nicht viel anfangen kann.

Jetzt sind natürlich Männer sowieso nicht als die großen Romanzenleser bekannt, aber so richtig ganz ohne Liebesgeschichte kommen vermutlich die wenigsten Buchserien aus, und es ist nicht so, dass ich meinen beiden Turteltäubchen viel Platz für explizite Szenen einräumen würde. Eigentlich passiert gar nichts, jedenfalls nicht on camera, außer dass sie sich einmal küssen und einmal Percy an Howards Brust einschläft, aber der Schwerpunkt liegt eindeutig auf anderen Sachen. Im Mittelpunkt des Buches steht nicht die Frage, wie es sich als Schwuler im Jahr 1921 lebt, wo man dafür im Zuchthaus landen kann, auch wenn ich schon überlegt hatte (und wieder verworfen) Percy genau das widerfahren zu lassen, weil Geister und Gefängnisse so gut zusammenpassen). Ich klammere diese Problematik nicht aus, es ist nicht so, als wolle ich meine goldenen Zwanziger irgendwie glorifizieren, aber es ist für Percy nur ein Problem von vielen, und da er seine Liebe als etwas Schönes akzeptiert, sollten das auch meine Leser.

Mir hat, noch nicht einmal zu den Elomaran, die doch ein paar explizite Szenen haben, noch nie ein Verlag ein Buch abgesagt mit der Begründung »zu schwul«, das muss ich mal ganz klar sagen, wenn auch ein Lektor Bedenken hatte, ob das die weibliche Zielgruppe dann noch ansprechen würde. Dass es für meine Engel nicht geklappt hat, liegt an anderen Gründen, angefangen mit der monumentalen Länge und der Tatsache, dass ich nicht sagen konnte, wie viele Bücher es am Ende werden – aber ich bin vorsichtig geworden und nehme lieber schon mal prophylaktisch meine Trotzhaltung an, falls es mit der Schattenuhr so weit kommen sollte. Vielleicht, weil die Mohnkinder ein Buch waren, das einiges positives Feedback von Männern bekommen hat, fürchte ich nun, die alle mit dem zweiten Buch zu vergraulen, und noch mehr fürchte ich, dass Verlage das so sehen würden. Und ob die dann sagen »zu schwul«, oder lieber einen unverfänglicheren Absagegrund wählen, der weniger Streitpunkt bietet – in Zeiten in der Außenminister, Fernsehmoderatoren, Sänger, Schauspieler, Lehrer und Pastoren homosexuell sein dürfen und es ein Gesetz gegen Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung gibt, sind da sicher andere Argumente gefragt – wird sich zeigen.

Will ich provozieren? Das Gegenteil ist der Fall. Ich will nur etwas, das ich für völlig normal halte, als völlig normal darstellen dürfen – in meinen Augen das Gegenteil von Provokation. Und ich bin gerne bereit, schwule wie heterosexuelle Leser vor den Kopf zu stoßen. Percy ist nämlich mitnichten so stockschwul, wie das vielleicht im Moment aussieht. Und wenn es mit Howard nicht klappt, behalte ich mir immer noch offen, ihm die richtige Frau an die Seite zu stellen. Ganz normal bisexuell, eben, wie ich. Ich wünschte nur, ich müsste nicht andauernd Blogbeiträge über Geschlechterrollen, Sexualität und Gesellschaft schreiben. Aber ich möchte mich weder rechtfertigen müssen, noch in irgendeine Nische drängen lassen. Von wegen Lesben sind heiß und Schwule interessieren nur Schwule – irgendwann muss man das einfach mit dem gleichen Schulternzucken abtun, das für alle anderen Arten Beziehung gilt. Hauptsache, die Leute sind glücklich miteinander. Auch, wenn sie nur fiktiv sind.

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