Tag Sieben: Nicht ohne meine Mucke

Mein Blog schleppt sich gerade etwas langsam vor sich hin, nicht, weil ich gerade so wenig schreibe, sondern weil ich es so viel tue, dass zum Bloggen gerade nicht viel Zeit bleibt. Trotzdem, es ist einmal wieder soweit, dass ich mir die nächste Frage von unserem allseits beliebten Dreißig-Tage-Fragebogen vornehme, und wir sind schon angekommen bei
7. Hörst du Musik beim Schreiben? Was für welche? Hast du Lieder, die genau zu deinen Figuren passen?

Meine Mutter dürfte das jetzt nicht sehen, zum Glück liest sie meine Blogs nicht, aber sie war schon immer dagegen, dass ich beim Arbeiten Musik höre. Gut, das stammt aus dem Jahr 1981 und bezieht sich auf meine Hausaufgaben, aber das Argument dahinter ist der gleiche: Wer geistige Arbeit leistet, muss sich dabei konzentrieren und soll sich nicht ablenken lassen, erst recht nicht durch Musik (dass ich manchmal beim Schreiben fernsehe, soll sie noch weniger erfahren, aber danach wird hier ja nicht gefragt). Tatsache ist, wenn ich keine Hintergrundbegleitung habe, kann ich nicht gut schreiben. Für mich ist Musik – die richtige Musik, versteht sich – das weiße Rauschen, dass ich brauche, um nicht ständig abgelenkt zu werden, mir andere Gedanken zu machen oder sonstwie abzuwandern und Dinge zu tun, die gerade nicht anliegen. Solange meine Musik läuft, weiß ich, dass ich zu arbeiten habe, und die Art der Musik gibt den Soundtrack vor für das, was ich schreibe.

Jedes meiner Werke hat ein eigenes musikalisches Thema. Als ich Das Puppenzimmer geschrieben habe, lief im Hintergrund eine Auswahl von Stücken meiner Lieblingsfolkband Steeleye Span, die alle etwas mit Feen oder Geistern zu tun hatten – in über vierzig Jahren, die diese Gruppe schon auftritt, sind genug Alben zusammengekommen, um eine schöne Auswahl treffen zu können. Für die Gauklerinsel gab es die gesammelten Werke der Folkrockgruppe Lindisfarne aus Newcastle, weil ich fand, dass Lieder aus einer heruntergekommenen Industriestadt gut den Nerv meiner abgewrackten Inselstadt trafen, und vor allem eine Zeile aus dem City Song passte auf das Setting wie die Faust aufs Auge: »And in your streets, the ghosts have forgotten why they’re there«.

Aber nicht immer sind es nur die Texte, die mich einen Soundtrack zum Schreiben auswählen lassen. Manchmal reicht es auch schon, dass ein Musiker oder Sänger aussieht wie eine der Hauptfiguren – so höre ich, ohne mehr als drei Brocken Bosnisch zu können, während der Arbeit an meiner Fälscher-Trilogie ununterbrochen die Musik der bosnischen Grupa Regina, weil deren Leadsänder Davor Ebner das visuelle Vorbild für den Antihelden Kevron Florel darstellt. Davon abgesehen, mag ich die Musik, aber das sollte selbstverständlich sein – ich kann mir keinen Autoren vorstellen, der zu Musik schreiben könnte, die er nicht mag, und als ich über zehn Jahren die Danksagungen für die damals noch lang unvollendete Spinnwebstadt verfasste, wollte ich das Buch der Oysterband widmen, weil ich während des Schreibens ihre Stücke rauf und runter gehört hatte. Ich hatte sogar jedem Kapitel ein Zitat aus einem Oysterlied vorangestellt, habe die nur beim Überarbeiten komplett gestrichen, nicht aus Gründen des Urheberrechts – dass auch Zitate darunter fallen, hatte ich nicht mal berücksichtigt – aber weil sie zu viel von den Plotentwicklungen vorwegnahmen.

So lässt sich die Liste lang fortsetzen: Für die Arbeit an Klagende Flamme höre ich, ohne bestimmten Grund, The Amazing Blondel, und bei den Elomaran ist es die John Renbourne Group. Bei Geigenzauber habe ich gegen Ende darunter gelitten, dass ich nur ein einziges Album von Ray ‚Chopper‘ Cooper besitze, weil es mir nach sechs Wochen intensiver Schreiberei schon wieder aus den Ohren rauskam, ich aber ohne nicht mal ans Schreiben denken konnte. Im Nanowrimo 2011 habe ich zwei Soundtrack-CDs zusammengestellt, einen lauten und einen leisen Mix, die ich jetzt mit großem Vergnügen bei der Arbeit an Percys Geschichte höre, obwohl sie eigentlich zum Verschenken gedacht haben. Während ich da bei der Arbeit viel fernsehe, gibt es bestimmte Szenen, die ich nur zu Musik schreiben kann – explizit alles, wo Howard auftritt, braucht besondere Aufmerksamkeit, die ich nur bei Musik aufbringen kann. Insbesondere ein Lied aus dem Soundtrack von Doctor Who, »Love Don’t Roam« von Neill Hammon, passt so perfekt auf meine Schreibstimmung, dass ich es dann in Endlosschleife höre, manchmal sogar stundenlang.

Anders als früher, wo ich darauf angewiesen war, im Hintergrund eine CD rauf und runter laufen zu lassen, nutze ich jetzt zunehmend aus, dass ich alle meine Musik ausgelesen auf dem Laptop habe und mir beliebige Playlists zusammenstellen kann, die nicht auf eine Länge von 74 Minuten beschränkt sind, sondern so lang sein können, wie sie wollen. Das einzige Seltsame ist vielleicht, dass meine musikalischen Vorlieben eigentlich nicht auf Folk und Folkrock beschränkt sind. Ich liebe meinen Eurovision Song Contest und habe viele Stunden ESC-Musik auf dem Rechner, ich höre rockigere Gruppen wie die Red Hot Chili Peppers oder System Of A Down, und dann ist da noch die Filkmusik, die ich selber mache – aber das findet sich alles nur sehr selten in meinen Schreibsoundtracks, ich kann nicht sagen, warum. Auch Musik, bei der nicht gesungen wird, höre ich selten beim Schreiben, ohne gleich wie ein Klassikbanause auftreten zu wollen. Aber am Ende ist jedem selbst überlassen, welche Musik er beim Schreiben hört oder beim Lesen, beim Kochen, Joggen, und so weiter. Nur jemand, der überhaupt keine Musik hört im Leben, mit dem werde ich wohl so schnell nicht warm.

Und gute Nachrichten gibt es auch: Bald kommt das neue Album von Grupa Regina heraus, »Kad poludimo«, was soviel zu heißen scheint wie »Wenn man verrückt ist«. Und auch wenn ich immer noch kein Bosnisch gelernt habe jenseits von »Ja sam debela«, hoffe ich doch, dass ich daraus ganz viel Inspiration bekommen kann, um endlich am Gefälschten Herz weiterzuschreiben. Kevron, Tymur und Konsorten werden es mir danken.

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