Der Romanfriedhof: »Geistersaat«

Wenn man ein Buch fertig hat, gibt es nichts Schöneres, um einen wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen, als die Erinnerung an ein Buch, das es nicht geschafft hat – das krachend vor der Wand gelandet ist oder still schlafend von uns gegangen. Ich bin immer noch mehr der große Romanruinierer denn der große Romanfertigsteller, und ausgerechnet dann, wenn ich was fertiges zu feiern habe, kommt das wieder hoch bei mir – vorzugsweise, wenn ich versuche, etwas zu finden, das die Lücke füllen soll, die das fertige Buch hinterlassen hat. Und was wäre ein besserer Kandidat für meinen Romanfriedhof als ein Buch, das nie etwas anderes sein sollte als ein Lückenbüßer?

Im Februar 2011 hatte ich ein Problem: Ich hatte ein Buch fertiggeschrieben, und es war das beste Buch der Welt. Selbst heute noch ist meine »Gauklerinsel« eines meiner absoluten Lieblingsbücher, und die sieben Jahre, die ich daran arbeiten durfte, waren eine wirklich schöne Zeit. Bei keinem anderen Buch war ich so dermaßen traurig, das Wort »Ende« unter die Geschichte zu setzen, bei keinem anderen hat es sich so angefühlt, als ginge mit Fertigstellung des Manuskripts eine Ära zu Ende. Und auch wenn ich andere, gute Bücher in Arbeit hatte – darunter das »Gefälschte Siegel« oder das ganz frisch geplante »Puppenzimmer« – wollte ich einen Ersatz für die »Gauklerinsel«, etwas, das diese Lücke in meinem Herzen füllen sollte.… Weiterlesen

Wat kütt? Dat kütt! IV

Silvester steht vor der Tür – Zeit für meine jährlichen guten Schreibvorsätze, aka. WKDK: Die Liste der Werke-in-Arbeit, die aus dem alten Jahr ins Neue mitgenommen werden. Das heißt nicht, dass die alle jetzt fertig werden müssen – aber zumindest ein paar von ihnen will ich hier in einem Jahr nicht mehr sehen. Namentlich diejenigen, die schon auf meinem letzten, vorletzten und drittletzten WKDK gestanden haben, meinen Schreibvorsätzen für 2011. Die umfassten damals nur sechs Titel – und zwei von denen sind immer noch nicht fertig. Inzwischen ist die Werksliste auf zehn Bücher angestiegen (zwischenzeitlich waren es mal dreizehn …) – und auch wenn ich schon des öfteren gegen meinen Grundsatz verstoßen habe, nur dann etwas Neues anzufangen, wenn auch etwas Altes fertiggeworden ist: Diesmal meine ich es ernst. 2016 gibt es also von mir:

Die Spiegel von Kettlewood
England, 1871. Iris Harding ist erst vierzehn Jahre alt und hat doch schon länger als ihr halbes Leben in der Textilfabrik gearbeitet, als ihre Mutter stirbt und sie noch ärmer als zuvor zurücklässt. Mit einer alten Schachfigur, die sie im Nachlass der Mutter gefunden hat, macht sich Iris auf zum Herrenhaus Kettlewood in Essex, wo die Mutter einmal gearbeitet hat und wo auch Iris‘ leiblicher Vater zu finden sein muss.… Weiterlesen

Wat kütt? Dat kütt! III

Warum war das Schreibjahr 2013 so ein Flop? Ganz einfach: Weil ich zum Jahreswechsel mein jährliches WKDK verpennt habe. Damit mir das in diesem Jahr nicht noch einmal passiert, ist hier nun die Liste derjenigen Werke, an denen ich 2014 zu arbeiten gedenke. Und es ist eine lange Liste. Kein einziges neues Buch ist dabei, nur Baustellen, die sich in den letzten Jahren angehäuft haben, und weil im vergangenen Jahr nichts fertig geworden ist, bin ich jetzt wirklich im Zugzwang. Schon jetzt habe ich fast für jeden Monat des Jahres eine neue Baustelle – und das heißt, ich darf wirklich nichts neues anfangen, bevor nicht ein, besser mehrere Bücher von der Liste abgearbeitet sind. Das, oder ich muss Projekte in Rente schicken – und das will ich wirklich nicht. Es geht ja nicht um Bücher, die nach einem Probekapitel gescheitert sind, sondern um lauter Ideen, die es schon auf mehr als hundert Seiten gebracht haben und mir zu lieb zum Begraben sind. Sie alle bringen Probleme mit sich, jedes hakt und klemmt auf seine eigene Art – aber sie sollen geschrieben werden, und auch wenn sicher nicht jedes einzelne von ihnen 2014 fertig werden kann, hoffe ich, dass ich zum Jahreswechsel doch das eine oder andere abzuhaken habe.… Weiterlesen

Percy, wir müssen reden!

Eigentlich ist es mir fast schon peinlich. Dieser verteufelte Alkohol! Ich habe mir schon so oft vorgenommen, es nie wieder zu tun, aber was soll ich sagen? Es ist eben doch schon wieder passiert. Eigentlich sollte Felder, der Glücksritter, der sich in der Flöte aus Eis um Kopf, Kragen und Königreich trinkt, der einzige Vertreter seiner Zunft bleiben. Dann kam mit Mowsal aus der Spinnwebstadt ein feines Beispiel für einen alkoholgefährdeten Jugendlichen, und als ich mit den Chroniken der Elomaran anfing, hatte ich mit Jurik auf der einen Seite und Varyn auf der anderen gleich zwei Leute, die mit massiven Alkoholproblemen zu kämpfen haben. Und damit war noch lange nicht Schluss. In der Gauklerinsel ist Roashan derart weit fortgeschritten in seiner Sucht, dass er mit körperlichen Entzugserscheinungen zu kämpfen hat, und sein Freund Shaun ist nur deswegen trocken, weil er als Geist keine andere Wahl mehr hat, und das sollte dann wirklich die Krönung sein und das Ende einer schon viel zu langen Reihe von Alkoholikern in meinen Geschichten, aber dann kam das Gefälschte Siegel mit Kevron, der ohne Alkohol keinen Schlaf findet und sich ohne Aufputschmittel nicht wachhalten kann, und selbst im plotlosen Geistersaat ist Damon Rickard nie ohne Glas in der Hand anzutreffen, und ich stehe da und muss mich fragen, will ich wirklich der Charles Bukowski der Fantasyliteratur werden?… Weiterlesen

Wat kütt? Dat kütt! II

Das Schreibjahr 2011 war ohne Zweifel das fruchtbarste meines ganzen Lebens. Nicht nur habe ich mein Jahresziel von 500.000 Wörtern am Ende so locker erreicht, dass ich den Dezember über ruhig ausklingen lassen konnte und keinen Endspurt hinlegen musste, vor allem aber habe ich drei Romane fertiggestellt, einen davon mit über achthundert Seiten, habe einen Roman abgeliefert, der auch nach der Buchmesse positive Resonanz bei den Verlagen hervorgerufen hat, und habe erkannt, dass Schreiben das ist, womit ich den Rest meines Lebens verbringen möchte. Aber das beste ist, dass ich keinen Zweifel daran habe, im Jahr 2012 das Ergebnis nochmal zu übertreffen. Nicht unbedingt an Quantität – 500.000 Wörter sind eine schöne Menge, das muss nicht unbedingt mehr werden – aber doch an Qualität. Ich bin schon gut, aber ich kann und muss mich immer noch steigern. Und so folgen nun, nach meinen letztjährigen Guten Schreibvorsätzen, die ich fast alle eingehalten habe, die Werke in Arbeit, die ich ins neue Jahr mitnehmen werde.

Mohnkinder
Als ein Geniestreich hat sich mein Nanowrimo-Neuzugang in diesem Jahr erwiesen. Mit weniger als zehn Tagen zwischen Idee und Drauflosschreiben hätte das Schlimmste dabei herauskommen können, aber tatsächlich ist mir Percy ans Herz gewachsen wie lange kein Held mehr, die Recherchen machen Spaß, der Plot kommt gut an, und sogar meine Eltern waren vom Konzept überzeugt, eingeschlossen meinen Vater, der noch nie etwas von mir hat lesen mögen.… Weiterlesen

Was zu erzählen

Es ist nicht lange her, da bin ich von meinem Jahresziel von 500.000 Wörtern auf 400.000 runtergegangen. Bedingt durch meine veränderte Lebenssituation schreibe ich aber jetzt zumindest inoffiziell wieder an der halben Million – mein Ziel für den August, dank Camp Nanowrimo, sind 50.000 Wörter, und ich liege gut im Rennen, habe mir sogar schon anderthalb Tage Vorsprung rausgeschrieben. Jetzt habe ich noch eine Woche zu arbeiten, dann kommt mein Resturlaub, und ich werde zusehen, dass ich diese Ziel auch für die restlichen Monate des Jahres schaffe. An einem soll es jedenfalls nicht scheitern: Ich habe genug Geschichten, an denen ich arbeiten kann. Mich entsetzen immer die Autoren, die genau ein Werk haben, das dann jahre- bis jahrezehntelang überarbeitet wird, auf das sie ihre ganzen Hoffnungen setzen, und wenn sie keinen Agentur- oder Verlagsvertrag für dieses eine Werk bekommen, geht für sie die Welt unter. Dabei würde ich weder als Agentur noch als Verlag einen Autor an Bord nehmen wollen, der verspricht, ein One-Hit-Wonder zu werden.

Bei mir ist es gerade umgekehrt. Selbst wenn ich jetzt bis zum Jahresende noch jeden Monat im Nano-Format schreibe, werde ich trotzdem nicht alles schaffen, was ich mir für 2011 vorgenommen habe. Der Plan sieht gegenwärtig ungefähr so aus: Ich schreinbe Das Haus der Puppen fertig – da stehe ich nach meiner Berechnung gerade bei der Hälfte, und ich denke, ich brauche noch mindestens den halben September, um es zu einem Ende zu bringen, wenn ich mit einer Gesamtlänge von um die 400 Normseiten rechne.… Weiterlesen

Du wachst auf. Du fühlst dich scheisse.

Als ich noch ein aktiver Teilnehmer an Rollenspielconventions war, gab es einen Standardanfang für spontan zusammengewürfelte Gruppen, die ohne Plot und Plan zu spielen anfingen: »Du wachst auf. Du fühlst dich scheiße.« Lange Einführungen und Charakterbauen entfielen, wer man war, wußte man nach dem Aufwachen sowieso nicht, und während die Spieler litten, konnte der Spielleiter immer noch in Ruhe überlegen, was denn nun genau passieren sollte. Und abgesehen davon, daß die letzten Tage für mich tatsächlich so begonnen haben – ehrlich, ich fühle mich keinen Deut besser als Anfang Dezember, traue mich aber nicht, mich wieder richtig krankschreiben zu lassen, weil ich um eine Verlängerung meiner Stelle fürchte – konnte ich das Prinzip jetzt endlich mal wieder zum Schreiben nutzen.

Mir fehlt meine Gauklerinsel. Mir fehlt der Spaß, mir fehlen die Figuren, mir fehlt aber vor allem das spontane Drauflosschreiben, mit dem dieses Buch einst begonnen hat – damals, als die ersten Geschichten um Roashan entstanden, wachte er auf und fühlte sich scheiße, und während er mit seinem Gedächtnisverlust kämpfte, konnte ich in Ruhe überlegen, was genau ihm den widerfahren war. Alles weiter, der Plot, die Verschwörer, etc, das entstand erst viel später. Am Anfang war das Buch nur ein namenloses Spaßprojekt.… Weiterlesen