Pflegeleicht trans

Zweieinhalb Jahre ist es jetzt her, seit ich mich in diesem Blog als trans/genderfluid offenbart habe, und seitdem sind einige Dinge passiert – genug Dinge, um jetzt das Thema noch einmal aufzugreifen und zu erzählen, wie es danach weitergegangen ist.

Vieles hat sich nicht geändert. Manchmal bekomme ich eine Mail, die mich mit »sehr geehrte:r Maja Ilisch« anredet, und dann freue ich mich ein bisschen, weil sich da jemand Gedanken gemacht hat und sich auf mich vorbereitet – aber ich fühle mich dann auch irgendwie schlecht, weil ich jemandem Aufwand und Umstände bereitet habe. Und Aufwand und Umstände sind auch das Hauptthema dieses Artikels.

Mir war es wichtig, meine Geschlechtsidentität bekannt zu machen, um aus der Frauenschublade rauszukommen, das war mir ein Anliegen – aber ich betrachte diese Identität als eine so persönliche Sache, dass ich auch nicht wollte, dass sie eine Auswirkung auf andere haben sollte. Da wollte ich ein ganz pflegeleichter trans Mensch sein. Habe also allen Leuten versichert, dass sich für sie nichts ändert, dass ich ja jetzt nicht ein anderer Mensch werde, sondern nur sein will, wer ich schon immer war. Ich habe meinen weiblichen Namen behalten, ich höre weiterhin auf weibliche Pronomen und Artikel, ich will es allen ganz, ganz einfach machen, in der Hoffnung, dass es ihnen dann ohne große Umstellung leichter fällt, mich zu akzeptieren …

Und so habe ich auf sehr viele Menschen Rücksicht genommen, nur nicht auf den einen, auf den es ankommt: Mich selbst, nämlich.… Weiterlesen

Autorkorrektur II

Mein Name ist Ilisch, die unsterbliche Zauberin in der Neraval-Sage heißt Ililiané – da kann man leicht auf die Idee kommen, dass sie so etwas wie mein Alter Ego ist. Aber das stimmt nicht. Ililiané ist meine Rache.

Ich habe doch eigentlich einen einfachen Namen. Nur sechs Buchstaben, auf Russisch sogar nur vier, weil das sch ein eigener Buchstabe ist – easy peasy, sollte man meinen. Da haben es Kollegen von mir viel schwerer – meine Autorenfreundin Sabrina Železný schreibt sich mit zwei Sonderzeichen, die man nicht so einfach auf der Tastatur findet, und die arme Lisa Dröttboom hat mit Doppelvokal und -konsonant so viel Falschschreibpotenzial, dass die Leute, wo sie schon mal dabei sind, auch noch gleich ihren Vornamen verhunzen. Aber Ilisch, kann man da viel falschmachen? Spoiler: Man kann.

Der Name Ilisch hat deutschpolnische Wurzeln – meine ahnenforschenden Eltern vermuten, dass er auf das polnische Wort ulica, Straße, zurückgeht. Es ist kein besonders häufiger Name, gelinde gesagt – ein paar Dutzend Namensträger finden sich in Deutschland, und die sind alle mehr oder weniger mit mir verwandt. Und sie alle, wie ich auch, haben ein Problem: Die Leute schreiben den Namen ganz selbstverständlich mit Doppel-L und machen Illisch draus.… Weiterlesen

Hashtag #nichttransgenug

Ja, die guten Vorsätze. Jede Woche ein neuer Blogartikel, und schaut nur, hier ist schon der zweite. Ich hatte damit gerechnet, dass es zum ersten einen Nachfolgeartikel geben würde, nur nicht unbedingt, dass es so schnell gehen würde. Aber als ich vor ein paar Tagen den Artikel veröffentlicht hatte, in dem ich bekanntgab, dass ich transgender bin, hatte ich durchaus die Hoffnung, dass der dann als Quelle herangezogen werden könnte, die Kategorie »Frau« aus meinem Wikipedia-Profil zu tilgen.

Fangen wir mal mit dem Grundsätzlichen an: Die Praxis der deutschsprachigen (und nur der deutschsprachigen!) Wikipedia, Personenartikel grundsätzlich den Kategorien »Mann« oder »Frau« zuzuordnen, ist Schwachfug. Lasst es mich auf bibliothekarischer Basis erklären: Die Kategorien dienen der Auffindbarkeit eines Artikels nach inhaltlichen Kriterien. Im Idealfall kann ein Artikel dann unter jedem Begriff, unter dem Leute danach suchen könnten, gefunden werden. Und genau das ist der Knackpunkt: Begriffe, unter denen Leute suchen . »Hey, Wikipedia, zeigt mir mal, welche Promis aus Dortmund kommen!« ist ein valider Suchbegriff. Auch nach Geburtsjahren wird sicher gesucht.

Aber wer geht in die Wikipedia, um Artikel über Männer zu finden? Die Kategorisierung nach »diese Hälfte der Weltbevölkerung« und »jene Hälfte der Weltbevölkerung« ist quatsch, weil niemand so sucht. Natürlich ist diese Verschlagwortung in den meisten Fällen durchaus zutreffend – aber Wikipediaartikel werden auch nicht nach Augenfarbe kategorisiert, obwohl auch die in meinem Personalausweis angegeben ist, oder nach Körpergröße – warum muss dann ein geschlechtsabhängiger Eintrag her?

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Links, rechts, cis, trans, Mann, Frau, Mensch

Guter Vorsatz fürs neue Jahr: Endlich wieder bloggen. Ist ja nicht so, als ob ich nichts zu sagen hätte, und seit ich ein veröffentlichter Autor bin, gibt es auch tatsächlich Leute, die mir mal zuhören … Ich hatte das Übliche geplant, einen Rückblick auf das Jahr 2020, das auch für mich alles andere als positiv verlaufen war, und dann einen optimistischerer Ausblick auf 2021 … Stattdessen sitze ich jetzt hier und schreibe einen Artikel, der nicht so zeitkritisch ist wie ein Jahresrückblick, den ich im Kopf schon seit einigen Jahren immer wieder formuliert und doch nie geschrieben habe, und der mir gerade wichtiger ist als Rückblicke oder Ausblicke. Ich will das Jahr damit beginnen, mit mir selbst ins Reine zu kommen, und offen aussprechen, was ich schon ziemlich lange weiß. Ich bin transgender.

Ich war acht, neun Jahre alt, als ich zu meiner Mutter ging und ihr sagte, dass ich ein Junge sein wollte. Und sie schaute mich an und sagte: »Warum denn? Alles, was ein Junge kann, kannst du auch als Mädchen, und lass dir von niemandem sagen, dass du ein Junge sein müsstest, um so zu sein, wie du bist.« Und damit hatte sie natürlich recht. Ich bin in einem Elternhaus aufgewachsen, in dem ich ich sein durfte und in meinen verschlissenen Latzhosen auf Bäume klettern und mit meinen Playmobilseeräubern spielen, ohne jemals »Ein Mädchen tut sowas nicht« zu hören zu bekommen.

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Autorkorrektur

Mein neuer Roman, Die Spiegel von Kettlewood Hall, erscheint im April, und nachdem ich monatelang stillhalten musste, darf ich das Cover jetzt endlich stolz herzeigen. Auch in den verschienen Onlineshops ist das Buch jetzt gelistet und vorbestellbar – wenn man es findet, heißt das. Denn zumindest bei Amazon gibt es da ein Problem: meinen Namen.

Ich bin daran gewöhnt, dass Menschen meinen Namen falsch schreiben, falsch aussprechen, oder beides. Im Laufe meines Lebens habe ich jede Variation von Ilisch, Illisch, Illich, Illitsch, Ilic, erlebt. Einmal bekam ich ungefragt einen neuen Sozialversicherungausweis auf den Namen Llisch zugeschickt und sollte dann nachweisen, dass ich nicht wirklich so hieße (wobei meine Frage, wie sie dann ohne Nachweis meinen Namen ändern konnten, unbeantwortet blieb). Als mein erstes Buch herauskam, habe ich mich gefragt, wie schlau es ist, unter einem Namen zu veröffentlichen, den so viele Leute falsch schreiben, aber es ist mein Name, ich heiße gerne so, und wenn es eine Möglichkeit ist, ihn mit seiner richtigen Schreibweise bekanntzumachen, dann ist das Veröffentlichen von hoffentlich-bald-Bestsellern genau der richtige Weg. Ich konnte nicht ahnen, dass nicht falsche Schreibweisen mein Problem werden würden, sondern richtige.

Sucht man bei Amazon nach »Maja Ilisch Spiegel von Kettlewood Hall«, landet man auf der Detailseite, auf der man das Buch vorbestellen kann.… Weiterlesen

Nur ein Name?

Es kommt bei mir sehr selten vor, dass während des Schreib- und Überarbeitungsprozesses eine Figur ihren Namen ändert. Bei kleinen Nebenfiguren, für die ich mir spontan einen Namen aus den Fingern saugen muss, passiert es schon mal, dass mir noch etwas Besseres einfällt, und dann gehe ich mit »Suche und Ersetze« ran, aber grundsätzlich hänge ich an meinen Figuren, und meine Figuren an ihren Namen. Eine Hauptperson einfach umtaufen? Das wäre für mich genauso unvorstellbar, wie einem richtigen lebenden Menschen einfach einen neuen Namen zu verpassen. Lustiger Fakt für zwischendurch: Ich hieß selbst nicht immer Ilisch. Auch wenn ich den Namen nach meiner Hochzeit behalten habe – als kleines Mädchen hieß ich noch Maja Schroer, bevor meine Elter eine Änderung des Namensrechts mitgenommen haben, die es ermöglichte, auch den Namen der Frau als Familiennamen zu führen. Ich musste mich also einmal an einen neuen Namen gewöhnen. Nochmal muss echt nicht sein.

Als ich Die Spiegel von Kettlewood Hall konzipierte, sollte meine Hauptfigur noch Cilla heißen, Cilla Harding, aber das wollte irgendwie nicht passen. Ich baute um, machte Cilla zur (verstorbnenen) Mutter meiner Heldin, und nannte sie selbst Isis. Wirklich, ich liebte diesen Namen. Isis Harding, die geborene Heldin eines Gaslichtromans. Der Vorname war eine von vielen kleinen Anspielungen auf Alice im Wunderland – eine, von der ich wusste, dass niemand sie erkennen würde, der nicht selbst ausgewiesener Carroll-Experte ist: Isis ist nicht nur der Name einer ägyptischen Göttin, sondern auch der Name der Themse bei Oxford, wo 1862 die Kahnpartie stattfand, auf welcher der spätere Lewis Carroll den Töchtern seines Dekans von Alicens Abenteuern unter der Erde erzählte.… Weiterlesen