Nicht alle Löffel im Schrank?

Ich weiß nicht mehr, wann ich das erste Mal der Löffeltheorie begegnet bin, aber plötzlich sehe ich sie überall – eine Metapher, um zu verdeutlichen, wie Menschen mit Depressionen und anderen chronischen Krankheiten selbst für alltägliche Dinge nicht die nötige Energie aufbringen, weil alles, was sie tun, an ihrer Kraft zieht, am Beispiel von einem Kontingent Löffel, von denen man einen nach dem anderen abgeben muss. Versteht mich nicht falsch, ich finde es wichtig, dass die Leute verstehen, welche Herausforderungen der Alltag an chronisch kranke Menschen stellt, auch wenn man nicht vierundzwanzig Stunden mit Kranksein beschäftigt ist. Nur, von allen Dingen, die Kraft, Energie und Ausdauer verkörpern … Löffel?

Ehrlich, das Löffelbild hinkt, aber gewaltig. Mir reicht ein einziger Löffel. Ich kann damit meine Cornflakes essen, den Tee umrühren, Grünkohleintopf in mich hineinschaufeln, lasse einmal Wasser drüberlaufen und kann ihn am nächsten Tag wiederverwenden. Die Löffeltheorie stammt aus Amerika, wo andere Redewendungen üblich sind, aber im Deutschen buchstablich den Löffel abgeben – das habe ich so schnell nicht vor. Mir mangelt es nicht an Löffeln. Mir mangelt es an Kraft.

Stellt euch keine Schublade mit Löffeln vor. Denkt an einen Akku, der in Null-Komma-Nichts den Geist aufgibt, selbst wenn man keine anstrengenden Aufgaben mit dem Gerät gemacht hat – und nach einer Nacht am Strom ist das Mistding noch nicht einmal voll geladen.… Weiterlesen

Anderswo als Glücksstadt

Alle paar Jahre kommt das vor, und jetzt ist es wieder passiert: Ein Traum, so fesselnd und packend, dass ich ihn gleich nach dem Aufwachen als Roman niederschreiben könnte. Ich träume immer sehr kreativ, sehr wild und intensiv, aber üblicherweise auch entsprechend wirr, und das wenigste, das im Traum selbst noch wie ein echt toller Plot erscheint, sieht auch im Wachzustand so aus. Aber manchmal werde ich wach, und der Traum hält das Tageslicht aus und ist immer noch eine tolle Geschichte. Auf diese Weise ist »Geisterlied« entstanden, und die Grundidee der auf Eis liegenden »Kinder des Hauses Otrempa«, und nun stehe ich da mit Glücksstadt.

In meinen Träumen bin ich üblicherweise nicht ich selbst. Figuren aus meinem täglichen Umfeld treten in den allerwenigsten meiner Träume auf, sie haben ihr eigenes Setting, ihre eigenen Haupt- und Nebenfiguren, aber sie werden trotzdem beeinfluss von meinem eigenen Leben. Oder, in diesem Fall, den Hobbys meines Mannes. Der ist, wie ich auch, leidenschaftlicher Gamer, aber wir spielen unterschiedliche Spiele. Ich mag Puzzlespiele, Egoshooter, Walkingsimulatoren, während mein Mann in Strategiespielen nd Simulationen aufgeht. Jetzt haben es die Städtebausimulationen in meinen Traum geschafft und sich dort selbständig gemacht.

Disclaimer: Ich habe selbst noch nie eine Städtesim gespielt und habe mein Wissen aus zweiter Hand, aber mein Eindruck ist, dass neben dem Einkommen, das eine Stadt generiert, die wichtigste Währung im Spiel die Zufriedenheit der Einwohner ist.… Weiterlesen

Der Romanfriedhof: »Die Öbba«

Während ich bei meinem »Gefälschten Land« immer noch mit dem Ende kämpfe – und, versprochen, Fortschritte mache – komme ich hier wieder einmal zurück auf ein Buch, das nie auch nur in die Nähe des magischen Wörtchens »Ende« gekommen ist, sondern auf dem Romanfriedhof gelandet ist. Bei den meisten Büchern, die ich in dieser Kategorie vorstelle, bin ich auf die eine oder andere Weise traurig, dass sie gescheitert sind. Hier nicht. Denn bei diesem Buch ging es um ganz andere Sachen: Um den Weg, um die Entwicklung – und um die Freundschaft.

Im Herbst 1994, nur durch einen sechswöchigen Amerikaaufenthalt von meinem Elternhaus getrennt, begann ich mein neues Leben als Studentin. Hundertfünfzig Kilometer von der Heimat entfernt, die erste eigene Wohnung, auf eigenen Beinen, stolz eingeschrieben an der Kölner Fachhochschule für Bibliotheks- und Dokumentationswesen (FHBD, das wird nachher noch wichtig). Ich denke gerne zurück an meine Kindheit, aber diese drei Jahre meines Studiums waren unterm Strich die besten drei Jahre meines Lebens.

In der Schule war ich eine Außenseiterin, was eine euphemistische Beschreibung ist für »jahrelanges schweres Mobbing«. Auch wenn ich jenseits der Grundschule nicht mehr jeden Tag auf dem Heimweg verdroschen wurde, auch wenn ich später immerhin Anschluss an eine Clique hatte: wirklich dazugehörig habe ich mich nie gefühlt, ich war immer ein Fremdkörper, und ich habe es jedem, der ein Opfer zum Hänseln suchte, wirklich extrem leicht gemacht, so plakativ und unbelehrbar war ich in meinem Anderssein.… Weiterlesen