Allein unter Büchern

Jede Bibliothek, jede Bücherei ist etwas Besonderes. Allein die Vorstellung, dass es da einen Hort von Büchern gibt, Geschichten, Geheimnissen, Wissen, und nur darauf wartet, entdeckt zu werden … Ich habe nie aufgehört, Bibliotheken zu lieben. Natürlich freue ich mich über jeden, der sich eines meiner Bücher kauft, weil ich damit meinen Lebensunterhalt verdiene – aber ich freue genauso über jeden, der/die meine Bücher in einer Bücherei ausleiht. Ich wäre geistig verhungert, hätte ich damals meine Stadtbücherei nicht gehabt, und hätte meinen Durst nach Geschichten ohne Beschaffungskriminalität ohne nicht stillen können.

Büchereien sind wichtig und kostbar. Und auch wenn ich, trotz wahrer Leidenschaft im Studium, nie über Praktika hinaus in einer öffentlichen Bibliothek gearbeitet habe – nur dreieinhalb Jahre in einer Unibibliothek, und das hatte sehr wenig mit Büchern zu tun – werde ich nie aufhören, in meinem Herzen Bibliothekarin zu sein. Um so mehr hat mich die Chance gefreut, im Rahmen meines gewonnenen PAN-Stipendiums zwei Wochen als Gast in einer Bücherei zu wohnen, die noch mal eine Ecke besonderer ist als andere: Der Phantastischen Bibliothek in Wetzlar.

Ich war noch nie vorher dort, auch wenn Wetzlar von Köln, wo ich studiert und lange gelebt habe, gar nicht so weit weg ist.… Weiterlesen

Der Romanfriedhof: »Die Öbba«

Während ich bei meinem »Gefälschten Land« immer noch mit dem Ende kämpfe – und, versprochen, Fortschritte mache – komme ich hier wieder einmal zurück auf ein Buch, das nie auch nur in die Nähe des magischen Wörtchens »Ende« gekommen ist, sondern auf dem Romanfriedhof gelandet ist. Bei den meisten Büchern, die ich in dieser Kategorie vorstelle, bin ich auf die eine oder andere Weise traurig, dass sie gescheitert sind. Hier nicht. Denn bei diesem Buch ging es um ganz andere Sachen: Um den Weg, um die Entwicklung – und um die Freundschaft.

Im Herbst 1994, nur durch einen sechswöchigen Amerikaaufenthalt von meinem Elternhaus getrennt, begann ich mein neues Leben als Studentin. Hundertfünfzig Kilometer von der Heimat entfernt, die erste eigene Wohnung, auf eigenen Beinen, stolz eingeschrieben an der Kölner Fachhochschule für Bibliotheks- und Dokumentationswesen (FHBD, das wird nachher noch wichtig). Ich denke gerne zurück an meine Kindheit, aber diese drei Jahre meines Studiums waren unterm Strich die besten drei Jahre meines Lebens.

In der Schule war ich eine Außenseiterin, was eine euphemistische Beschreibung ist für »jahrelanges schweres Mobbing«. Auch wenn ich jenseits der Grundschule nicht mehr jeden Tag auf dem Heimweg verdroschen wurde, auch wenn ich später immerhin Anschluss an eine Clique hatte: wirklich dazugehörig habe ich mich nie gefühlt, ich war immer ein Fremdkörper, und ich habe es jedem, der ein Opfer zum Hänseln suchte, wirklich extrem leicht gemacht, so plakativ und unbelehrbar war ich in meinem Anderssein.… Weiterlesen

Freudsche Fehlleistung

Weit ist es mit mir gekommen, sehr weit. Vor zwölf Jahren zog ich, das Abitur in der Tasche, aus meiner heimatlichen Stadtbücherei fort nach Köln, um die beste Bibliothekarin der Welt zu werden. Es sollte ein Abschied auf Zeit sein – denn nach meinem Studium wollte ich dort arbeiten, dort und sonst nirgendwo. Und nun ist es soweit, ich bin zurückgekehrt an diesen Ort der glücklichen Stunden, um dort zu arbeiten. Doch es sollte eine Rückkehr in Lumpen werden.

Die Dülmener Stadtbücherei bedeutet mir viel. Hier habe ich als Achtjährige Schallplatten gehört und Enid-Blyton-Bücher ausgeliehen. Hier habe ich als Dreizehnjährige die Stunden verbracht, bis der Bus fuhr. Hier habe ich als Siebzehnjährige mein erstes Geld verdient, sechs Mark die Stunde an der Verbuchungstheke und beim Mahnungenschreiben. Hier habe ich meine Zukunft geplant. Als die Bücherei 1994 in einen Neubau umzog, war ich dabei um zu helfen und mitanzupacken. Ein bißchen wehmütig nahm ich von dem alten Gebäude Abschied und setzte ihm Jahre später ein kleines Denkmal, als sich Halan in der leeren Bibliothek einschloß – große leere Räume, in denen der Geruch von Büchern noch in der Luft hängt: Ich weiß, wie sie sich anfühlen. Als Studentin gab ich nochmal ein kleines Gastspiel, 1995, als Praktikantin.… Weiterlesen