»Ich hasse Bücher!« III

Als wir vor nunmehr acht Jahren in unser Haus gezogen sind, haben uns unsere Möbelpacker verflucht. Hochgerechnet zehntausend Bücher mussten mit, eingepackt in Bücherwannen und stabilen Pappkartons, und auch wenn wir dem Umzugsunternehmen gesagt hatten, dass wir viele Bücher besitzten, ja, wirklich viele, hatten die sich darunter eher etwas um die fünfhundert Bücher vorgstellt als das Zwanzigfache davon. Ich liebe meine Bücher. Ich kann mich nicht von ihnen trennen, ich mag nicht aussortieren, ich habe sie gern um mich herum, und ich kann auch nicht damit aufhören, mir neue Bücher zu kaufen. Zumindest, solange noch Regalplatz da ist, und was den angeht, haben wir uns extra ein großes Haus gekauft, damit Platz für Bücher da ist.

Wir haben so viele Bücher im Esszimmer, dass wir es als Bibliothek bezeichnen. Wir haben Bücher im Wohnzimmer und Bücher im Flur. In meinem Arbeitszimmer ist ein großes Bücherregal, mehr Regale stehen im Gästezimmer, und in meinem Schlafzimmer habe ich nicht nur ein Regal direkt neben dem Bett, sondern auch noch ein kleines Wandregal auf der anderen Seite, Bücherstapel auf dem Fußboden neben dem Bett, und mindestens zwei, drei Bücher liegen im Bett neben meinem Kopfkissen. Ich lebe, ich atme Bücher. Ich liebe sie wirklich.… Weiterlesen

»Ich hasse Bücher!« II

»Immer weniger Deutsche lesen Bücher (egal ob gedruckte oder digitale)«, schreibt der dotbooks-Verlag auf seiner Facebookseite, und »Was ist eurer Meinung nach die beste Leseförderung?«. Und da fällt mir natürlich sofort wieder meine Nichte ein, dieses blitzgescheite, phantasievolle kleine Mädchen, das mit Büchern nichts anfangen kann. Nur, dass ich es diesmal, nachdem mein erstes Entsetzen zwei Jahre Zeit zum Sacken hatte, stattdessen an einer Analyse versuche. Und weil mir die zu schade ist, um nur in einem Facebookkommentar unterzugehen, ich sie jetzt noch einmal in mein Blog kopiere:

Ich denke, es ist wichtig zu fragen, warum Leute lesen bzw. nicht lesen. Nachdem wir in unser neues Haus gezogen waren, lebten wir erstmal auf einer Baustelle mit Bibliothek – keine Küche, kein Kleiderschrank, aber die Bücherwand stand schon (zumindest die ersten sechzig Kisten hatten wir sehr schnell ausgeräumt, für die letzten 30 fehlen uns noch die Regale). Meine Nichte, acht oder neun Jahre alt zu dem Zeitpunkt, sah ein Foto davon, schüttelte sich und sagte: »Ich hasse Bücher«. Ich war, verständlicherweise, entsetzt. Also gefragt warum. Sie fand Lesen schlichtweg anstrengend im Vergleich zu leicher zu konsumierenden Medienformen wie Fernsehen – und offenbar konnten ihr die Bücher inhaltlich keinen Mehrwert bieten, der den Aufwand gerechtfertigt hätte.… Weiterlesen

»Ich hasse Bücher!«

Gestern traf ich meine Nichte. Ich sehe sie nur selten, im Schnitt nicht öfter als einmal im Jahr, da mein Schwager mit seiner Familie in Norddeutschland lebt, eine ganze Ecke weg von uns. Aber da gestern meine Schwiegermutter ihren Geburtstag feierte, war das eine von den Gelegenheiten, wo die ganze Familie zusammenkommt, und so traf ich meine Nichte. Sie ist acht Jahre alt, gerade ins dritte Schuljahr gekommen, und ich kenne sie als ein intelligentes, wissbegieriges Mädchen. Wie wir, ist auch ihre Familie gerade in ein neues Haus gezogen, wir unterhielten uns übers Umziehen, sie fragte, ob wir wirklich in einer Villa wohnten, und ich zeigte ihr ein paar Fotos von unserem Haus – darunter auch eines von unserem Bücherregal im Esszimmer, das über die ganze Breite der Wand und sogar noch um die Ecke geht und fertig eingeräumt war, lange bevor wir auch nur an die Montage der Küche dachten.

Meine Nichte starrte das Bild an, und ich wartete auf einen Ausruf der ungläubigen Bewunderung. »Sind das alles Bücher?«, fragte sie. »Das alles?« Ich nickte. »Auch die da?« Sie hatte die Perry-Rhodan-Sammlung meines Mannes entdeckt, deren metallisch glänzende Buchrücken tatsächlich sehr futuristisch aussehen und ebensogut etwas anderes hätten sein können, aber natürlich auch Bücher sind.… Weiterlesen