Weil nichts endet

Ich habe eine schlaflose Nacht hinter mir, und das ist nicht gut, weil sich eigentlich mein Biorhythmus wieder normalisieren soll – aber statt dessen habe ich wachgelegen bis um fünf in der Frühe und mir einen Kopf gemacht. Vor allem ging es, wieder mal, um das Ende von Geigenzauber. Neulich habe ich ja schon geschrieben, , daß ich kein Happyend möchte, bei dem Mia in den Armen irgendeines netten Kerls landet. Aber so wie es im Moment aussieht, ist daß gar nicht mehr die Frage. Es geht nicht darum, was ich will, und auch nicht darum, was die Leser wollen, sondern darum, was Mia will. Und Mia will nicht Brandon oder István, Mia will auch nicht glücklich ohne Kerl sein – Mia will Branwell.

Es sollte immer darauf hinauslaufen, daß Branwell Mia so weit bringt, daß sie ihm ein Portal baut und ins Feenreich begleitet, sie aber im letzten Moment erkennt, daß er sie nur benutzt und sie lieber ein Mensch bleibt – aber so kann es gar nicht mehr enden. Längst hat Branwell eingestanden, daß Mia für ihn nur ein Portal auf zwei Beinen war, er hat sie von seinem Zauber entbunden, Mia ist wieder zu Hause und hat ein Zeitfenster von drei Tagen, innerhalb derer sie alles, was mit Branwell undf den Feen zusammenhängt, vergessen sollen, doch nach Ablauf dieser Zeit merkt sie, daß sie sich nicht nur noch an ihn erinnert, sondern auch, daß sie ihn immer geliebt hat – und erkennt so, daß sie niemals verzaubert war, sondern ihre Gefühle immer wahrhaftig waren: Sie ist kein Opfer, sondern ein Mensch, der seine eigenen Entscheidungen trifft, und aus dieser Erkenntnis schöpft sie neues Selbstbewußtsein.

Der Handlungsbogen ist ziemlich am Ende angekommen, der Kreis geschlossen, und ich kann nicht noch Kapitel um Kapitel dranhängen, um Mia doch in die Wunschsituation zu bringen – da kann nicht mehr viel kommen, wirklich nicht, sonst ruiniere ich die Spannungskurve und die Struktur des Buches. Es reicht eigentlich nur für sowas: Mia, unglücklich, daß sie sich Branwell hat wegnehmen lassen, geht in den Park, wo sie schon viele einsame Stunden verbracht hat. Während buntes Herbstlaub von den Bäumen fällt, setzt sie sich ans Teichufer und beobachtet ein letztes Mal die fremde Welt unter der Wasseroberfläche, als sie plötzlich das zauberhafte Geigenspiel hört. Sie dreht sich um, und da steht Branwell. Er lächelt sie an, sie lächelt zurück, Sonnenuntergang, Abspann.

Blöde Frage – geht es noch verkitschter? Aber das ist hier nicht das Problem. Das Problem ist, daß ich viele Punkte in der mir verbleibenden Zeit nicht mehr auflösen kann. Da ist die Frage, wieso Branwell von den Feen verbannt worden ist – gut, das kann er noch auf den letzten Seiten erklären – aber ob und wie er wieder zurück kommt, das kann ich nicht mehr beantworten. Und auch nicht, was mit Brandon ist und ob er jemals erlöst wird… Das alles paßt nicht mehr ins Buch. Ich habe den Handlungsbogen zum Ende geführt, aus der Nummer komme ich nicht mehr raus, ohne das ganze Buch umzuschreiben. Also läuft es hinaus auf eine Fortsetzung. Alles in sich geschlossen, alles bestens, genau so, wie die Verlage das gerne haben, aber das schöne an Geigenzauber, oder zumindest eine der vielen schönen Sachen, die mit diesem Buch zusammenhängen, war seine Geschlossenheit. Jetzt also ein zweites Buch? Spiegelzauber oder so?

Abwarten, was die Testleser sagen, die Agenten – und die Verlage. Erstmal schreibe ich das Buch jetzt zuende. Nicht so, wie ich will – aber wie das Buch es will. Ich denke, das beste Ende ist immer das, was sich das Buch selbst ausgesucht hat.

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