Tag Zwei: Männlein gegen Weiblein

Es ist langsam mal wieder an der Zeit, dass ich mich den dreißig Fragen zuwende, vor allem, da ich erst eine davon beantwortet habe. Nachdem ich mich entschieden habe, Das Haus der Puppen mit einer unkonventionellen Liebe zu beenden, passt es sehr schön, dass die zweite Frage des berüchtigten Stöckchens lauten:
2. Wie viele Figuren hast du? Bevorzugst du Männer oder Frauen?

Ich hoffe, niemand erwartet ernsthaft von mir, meine Figuren zu zählen. Ich habe zwar tendenziell gar nicht so viele Figuren in meinen Geschichten, arbeite lieber mit wenigen Charakteren, als dass ich ganze Heerscharen aufmarschieren lasse – was mich als Autorin epischer Fantasy sicher disqualifiziert. So treten zwar in den Chroniken der Elomaran siebenundfünfzig Figuren, kleinste Nebenrollen mitgerechnet, aber auf vier nicht immer dünne Bände verteilt ist das nicht wirklich viel. Und beim Haus der Puppen komme ich mit acht Figuren aus. Natürlich ist das nicht viel. Aber über die Jahre ist doch einiges zusammengekommen, ich habe in den letzten fünfundzwanzig Jahren mehr Personen aufmarschieren lassen, als ich jetzt noch aufzählen könnte. Daher kann ich die Frage nur beantworten mit: Viele.

Was den zweiten Teil der Frage angeht: Tendenziell sind meine Hauptfiguren eher männlich als weiblich, und bis vor ein paar Jahren hatte ich große Probleme, mit weiblichen Hauptfiguren zu arbeiten, weil sie mir immer zu ähnlich wurden, um von mir noch als individuell wahrgenommen werden zu können, und das machte sie hölzern und leblos – anders als die Männer, die per se anders waren als ich und dann auch schnell autonom agieren konnten. Bei den Elomaran sind die Männer so sehr in der Überzahl, dass es in ganz Dämmervogel keine einzige Seite aus weiblicher Sicht gibt, ein Ungleichgewicht, das mir immer noch leid tut, denn als Leserin hasse ich soetwas – als ob es keine Frauen auf der Welt gäbe!

Seit ich angefangen habe, Urban Fantasy für Jugendliche und junge Erwachsene zu schreiben, hat sich das Blatt etwas gewendet. Vielleicht ist es auch einfach die Schreiberfahrung, die ich angesammelt habe, aber auf jeden Fall gibt es jetzt zunehmend weibliche Hauptfiguren, mit denen ich mich sehr wohl fühle. Rebekka aus Der Schattenstein war 2006 die erste, und ich bin nie mit ihr warmgeworden. Mein Versuch, ein ganz normales kleines Mädchen zur Heldin meiner Geschichte zu machen, endete damit, dass ich sie selbst schnarchlangweilig fand, und ich finde, das merkt man dem Buch auch an. Also besser keine normalen Mädchen. Sie dürfen genauso schräg, gemein, verletzlich, interessant sein wie meine männlichen Figuren. Mia, Florence, Anata, Frieke – das sind lauter spannende, differenzierte Gestalten, die nicht als gesichtslose, universelle Identifikationsfigur herhalten müssen und sich genauso viele Feinde wie Freunde machen dürfen.

Also, unterm Strich muss ich immer noch sagen, dass die Männer bei mir in der Mehrzahl sind, aber immerhin bin ich mir des Problems bewusst und arbeite daran. Ich würde nie irgendwo eine Frau auftreten lassen, nur um eine Quote zu erfüllen, und wenn mir zu einer Geschichte keine weiblichen Figuren einfallen, ist das zwar traurig, aber ich tue auch keiner Frau einen Gefallen, wenn ich meine Geschichten mit leeren Frauen flute. Mich interessiert zunächst einmal der Mensch, dann die Frage, welches Geschlecht er haben könnte. Manchmal hatte ich das Gefühl, ich könnte besser wie ein Mann denken als wie eine Frau, mich selbst ausgenommen – ich konnte mich nicht in sie einfühlen. Im Rollenspiel bleibe ich dabei, dass ich lieber Männer spiele. Aber beim Schreiben bin ich inzwischen so weit, dass ich denke, ich kann beides.

Lustigerweise findet meine Freundin Moni, die immer meinte, meine männlichen Figuren würden doch eher geschlechtsneutral wirken, jetzt das gleiche von Florence im Puppenhaus. Vielleicht bin ich selbst doch eher ein geschlechtsloses Wesen. Wünschen würde ich es mir jedenfalls. Männerdenken vs. Frauendenken ist etwas, das ich nicht nachvollziehen kann. Ich bin ein Geek und eine Feministin, ich habe im Leben Hosen und Kleider, lange und kurze Haare getragen, ich liebe Frauen und Männer und Menschen, und am liebsten wäre mir eine Welt, in der es überhaupt nicht mehr nötig wäre, über irgend jemandens Geschlecht zu diskutieren. Nicht nur beim Schreiben, sondern überhaupt: Wäre das nicht schön?

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