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Pflegeleicht trans

Zweieinhalb Jahre ist es jetzt her, seit ich mich in diesem Blog als trans/genderfluid offenbart habe, und seitdem sind einige Dinge passiert – genug Dinge, um jetzt das Thema noch einmal aufzugreifen und zu erzählen, wie es danach weitergegangen ist.

Vieles hat sich nicht geändert. Manchmal bekomme ich eine Mail, die mich mit »sehr geehrte:r Maja Ilisch« anredet, und dann freue ich mich ein bisschen, weil sich da jemand Gedanken gemacht hat und sich auf mich vorbereitet – aber ich fühle mich dann auch irgendwie schlecht, weil ich jemandem Aufwand und Umstände bereitet habe. Und Aufwand und Umstände sind auch das Hauptthema dieses Artikels.

Mir war es wichtig, meine Geschlechtsidentität bekannt zu machen, um aus der Frauenschublade rauszukommen, das war mir ein Anliegen – aber ich betrachte diese Identität als eine so persönliche Sache, dass ich auch nicht wollte, dass sie eine Auswirkung auf andere haben sollte. Da wollte ich ein ganz pflegeleichter trans Mensch sein. Habe also allen Leuten versichert, dass sich für sie nichts ändert, dass ich ja jetzt nicht ein anderer Mensch werde, sondern nur sein will, wer ich schon immer war. Ich habe meinen weiblichen Namen behalten, ich höre weiterhin auf weibliche Pronomen und Artikel, ich will es allen ganz, ganz einfach machen, in der Hoffnung, dass es ihnen dann ohne große Umstellung leichter fällt, mich zu akzeptieren …

Und so habe ich auf sehr viele Menschen Rücksicht genommen, nur nicht auf den einen, auf den es ankommt: Mich selbst, nämlich.… Weiterlesen

Blitz-Geburt

Ich habe heute den Nanowrimo ausgerufen. Das ist die größte Macht, über die ich im Leben verfüge: Entscheiden, wann im Tintenzirkel das Nanowrimo-Aufwärmtraining beginnt. Und damit viele Leute glücklich machen. Ich mache gerne Leute glücklich. Und ich weiß, ab August haben da schon einige Hummeln im Hintern, wollen am liebsten sofort loslegen, und müssen sich doch gedulden, bis ich das Board dafür eingerichtet habe. Üblicherweise ist es in der zweiten Augusthälfte soweit. Und weil ich heute ein bisschen Leerlauf hatte, bin ich hingegangen und habe alles in die Wege geleitet. Damit hat im Tintenzirkel dann heute offiziell die schönste Zeit des Jahres begonnen. Die ersten Romanthreads stehen, andere sind erst im Stadium der Ideenfindung – und ich habe, wie ich es manchmal tue, gerade alle Pläne über den Haufen geworfen, was ich im Nano schreiben will, und stehe wieder bei Null.

In manchen Jahren weiß ich schon ab Februar, März, was ich im Nanowrimo zu schreiben gedenke, und verbringe das ganze Jahr mit der Vorfreude darauf, plotte, recherchiere, und habe mit der Eröffnung des Nano-Boards nicht nur einen vollständig stehenden Plot, sondern auch schon die ersten Sätze im Kopf. Aber das sind üblicherweise Jahre, in denen ich über den Nanowrimo hinaus nicht viel zu Papier bringe.… Weiterlesen

Owlsendlich fertig

Es ist schon wieder passiert. Ich habe ein Buch, an dem nur noch eine einzige Szene fühlte, monatelang liegengelassen, weil ich nicht wusste, wie ich die Lücke stopfen sollte. Man sollte meinen, ich hätte den Dreh allmählich raus – da stopfe ich routiniert zwölf Jahre alte Plotlöcher, wenn ich mich nur hinsetze und drüber nachdenke, und ausgerechnet »Owls End« blieb unvollendet. Ausgerechnet deswegen, weil das Buch verkauft ist. Es soll (voraussichtlich) im Winterhalbjahr bei dotbooks erscheinen, und Ende Juli muss ich das fertig überarbeitete Manuskript dort abgeben. Das ist in einer Woche …

Zum Glück war ich nicht ganz faul. Überarbeitet ist das Buch schon, bis auf die letzten beiden Kapitel – aber diese Lücke, ausgerechnet im großen Finale, hat mir Bauchschmerzen bereitet, mit jedem Tag ein bisschen mehr. Bauchschmerzen schreiben schlechte Bücher. Und so sehr ich mir auch den Kopf zerbrechen mochte, mir kam und kam einfach keine rettende Idee. So habe ich die Frage dann ausgelagert. Nein, ich habe nicht ChatGPT oder eine andere selbsterklärte KI befragt. Ich weiß, dass andere Autor:innen damit erfolgreich Plotlöcher gestopft haben – aber ich mag die Vorstellung nicht, dass aller Plot, den ich dem Algorithmus als Prompt verfütterte, danach selbst Bestandteil des Algorithmus wird.… Weiterlesen

Die Preise der anderen

Ich werde nie den Nobelpreis gewinnen, aber es ist der Running Gag, dass ich das gerne würde. Literaturnobelpreisträger. Das ist klangvoll, da ist man in guter Gesellschaft – aber ich werde ihn nicht kriegen. Fangen wir mal mit dem offensichtlichen an – ich schreibe Fantasy. Fantasyautoren bekommen keine Literaturnobelpreise. Und selbst wenn? Dann bekomme trotzdem ich den nicht. Ich bin ein kleines Licht. Mich kennt man noch nicht mal in Deutschland, geschweige denn weltweit. Und dann bin ich erst achtundvierzig Jahre alt. Viel zu jung für diesen Preis – der ursprünglich mal ein Förderpreis für junge Talente sein sollte. Aber man wird ja noch träumen dürfen. Vom Literaturnobelpreis zu träumen ist gut, da riskiert man nicht, dass das in Erfüllung geht und man plötzlich ohne Träume dasteht. Und wenn den ein anderer bekommt, tut es nicht weh, denn, siehe oben, ich weiß, warum ich den niemals bekommen kann.

Andere Preise … andere Preise sind so eine Sache. Es gibt tolle Literaturpreise für Phantastikautoren. Von denen habe ich nie zu träumen gewagt, nicht so wie vom Nobelpreis. Ich habe trotzdem von ihnen geträumt. Aber sie sind immer an andere Leute als mich gegangen. Lange lag das daran, dass ich überhaupt nicht veröffentlicht war, und das tat weh – ich wollte ja veröffentlichen, aber das Veröffentlichen wollte mich nicht.… Weiterlesen

Zwölf Jahre später

Manchmal hat man ein Wiedersehen mit alten Freunden, und es ist, als wäre man nie weggewesen. Man umarmt sich und knüpft nahtlos an eine Unterhaltung an, die man 2011 geführt hat, man lacht viel und hat Spaß, und dann geht man wieder auseinander und sieht einander die nächsten acht Jahre lang nicht mehr. Und vom Schluss abgesehen, bin ich gerade genau da mit meinen »Chroniken der Elomaran«.

Seit dem ersten Juli schreibe ich wieder am fünften Buch, »Zornesbraut«. Der Einstieg verlief noch ein bisschen zäh. Ich hatte das Buch mitten in einer Szene stehenlassen, für deren Ausgang mir im Herbst 2011 der Plot fehlte, und als ich versuchte, da wiedereinzusteigen, hatte ich immer noch keinen Plot und musste überhaupt erst einmal rekonstruieren, was ich sonst noch für dieses Buch geplant hatte. Aber ich hatte einen Trumpf im Ärmel: Die Perspektive dieses Kapitel war die von Varyns Bruder Gaven, und Gaven hat wirklich den pflegeleichtesten POV der ganzen Reihe. Ich war in Null Komma Nix wieder in Gavens Erzählstimme, und dass ich sie dann zehn oder so Seiten lang nur für Landschaftsbeschreibungen genutzt habe, war eine Fingerübung, um wieder in die Geschichte reinzukommen.

Normalerweise schreibe ich nicht gern in dem Wissen, dass es für die Tonne ist, aber nach zwölf Jahren Pause, nachdem ich das Buch schon so gut wie aufgegeben hatte, streiche ich gern auch mal zwanzig Seiten weg, wenn ich dafür den Rest der Geschichte retten kann.… Weiterlesen

Stipenditastisch III

Seit einem guten Monat arbeite ich mich durch die Einsendungen in der Kategorie »Debut« beim PAN-Stipendium 2023 und habe in der Zeit gut die Hälfte geschafft. Zeit für ein kleines Zwischenfazit. Ich werde weder auf einzelne Einsendungen eingehen, noch konkrete Zahlen nennen, es bleibt also allgemein gehalten. Vielleicht ist es aber doch für den/die eine:n oder andere:n, der/die hibbelnd auf die Ergebnisse wartet, interessant.

Anfangen möchte ich mit der Feststellung, dass es wirklich sehr viele Einsendungen sind. Die Debut-Kategorie hatte schon letztes Jahr die meisten Einsendungen, und dieses Jahr sind es noch mal mehr Kandidat:innen als im letzten Jahr. Vielleicht hätte ich besser, statt sofort stürmisch-begeistert zuzusagen, gefragt »Wie viele sind es denn?«, aber ich denke nicht, dass das für meine Zusage noch einen Unterschied gemacht hätte. Ich habe sehr großen Spaß an dieser Arbeit – aber Arbeit ist es trotzdem. Ich will es richtig machen, und gründlich, und das heißt, dass ich jeden Tag im Schnitt zwei Stunden über meinen Einsendungen sitze.

Wie werden die Einsendungen gelesen? Ich denke, da hat jedes Jurymitglied seine eigene Technik. Ich kann also nur sagen, wie ich das selbst angehe: Ich wähle mir durch Zufall eine Einsendung aus, indem ich im Explorer blind rauf und runter scrolle und dann irgendwo reinklicke.… Weiterlesen

Quo Vadis, Opus Magnum?

Vor über dreiundzwanzig Jahren, im Februar 2000, hatte ich die Idee für eine neue Geschichte – nein, nicht irgendeine neue Geschichte. Ein Großwerk. Mein Opus Magnum. Das klingt jetzt erst mal größer, als es in dem Moment wirklich war – schließlich hatte ich bereits das Buch, an dem ich damals eigentlich arbeitete, als  »Opus Magnum« bezeichnet. Das war die »Spinnwebstadt«, ich hing im vierten von vier Teilen, kam nicht voran, und immer, wenn es bei mir irgendwo klemmt, macht sich mein Hirn auf die Wanderung und sucht nach neuen Ideen. »Die Spinnwebstadt« sollte dann nach zähem Ringen drei Jahre später fertig werden, immerhin um die tausend Normseiten sind es am Ende geworden, und ich konnte stolz darauf sein – aber das ist nichts im Vergleich zu dieser neuen Idee. Tausend Seiten? Darüber können die »Chroniken der Elomaran« nur lachen. Und sieben Jahre, die ich an der »Spinnwebstadt« gearbeitet habe? Darüber erst recht. Dreiundzwanzig Jahre, Baby! Und noch kein Ende abzusehen …

Dabei war die Ausgangsidee erst einmal nicht übermäßig groß. Wenn ein König seine Krone verliert, und ein anderer findet die zufällig morgens in seinem Vorgarten und nimmt sie an sich – wer ist dann der rechtmäßige König? Das war alles, eine Idee, angelehnt an ein Referat über die Insignien des Heiligen Römischen Reichs, das ich ein paar Jahre davor während meines Studiums gehalten hatte.… Weiterlesen