Ein anderer sein

Ich schreibe hier viel über das Schreiben, und wenig über das, was ich sonst so mache – und das hat natürlich seine Gründe. Das hier ist mein hochoffizielles Profiautorenblog, und da gehören meine Schreibthemen in den Mittelpunkt – einfach aus dem Grund, dass ich erwarte, dass es das ist, worüber die Leute lesen wollen. Aber ich schreibe nicht den ganzen Tag lang – selbst an Tagen, an denen ich mein Pensum schaffe, habe ich das normalerweise innerhalb von zwei, drei Stunden im Kasten, und den Rest der Zeit verbringe ich mit anderen Dingen.

Ich lese, wenn mir danach ist – vor allem, wenn ich in der Bahn unterwegs bin – doch es ist nicht das Hobby, das den Großteil meiner Zeit auffressen würde. Früher habe ich deutlich mehr gelesen. Es hat einfach neben dem Schreiben seinen Stellenwert verloren, es nimmt mich nicht mehr im gleichen Umfang gefangen, wie es das Schreiben tut, und deswegen ist es in den letzten Jahren etwas auf der Strecke geblieben. Es ist nicht, dass ich gar nichts mehr lese, und manchmal kann ich das immer noch stundenlang – aber mir muss danach sein. Und oft ist es das nicht.

Ich verbringe auch gerne meine Zeit mit Computerspielen. Aber auch danach muss mir sein: wenn ja, kann ich Stunden damit verbringen und finde es oft immersiver als lesen, wenn ich ein Spiel habe, das gut geschrieben ist, was leider keine Selbstverständlichkeit ist – dann gehe ich ganz darin auf, fühle, was meine Spielfigur fühlt, leide, zürne, nehme das volle Programm an Emotionen mit – aber es schaffen nur die wenigsten Spiele, mich wirklich so mit Beschlag zu belegen, und das meiste, was ich zocke, sind kleine Casual Games oder Puzzlespiele, die ich nebenbei spielen kann, bei denen ich nicht lang bei der Stange bleiben muss. Vieles zocke ich mal an, aber dann packt es mich nicht, und ich lasse es wieder sein.

Aber eine Sache gibt es, in der gehe ich so richtig auf, und das sind Pen-and-Paper-Rollenspiele. Ganz klassisch, mit einer Gruppe um den Tisch herum, mit Charakterbögen und Würfeln und ungesundem Knabberkram nebenbei. Ich bin nicht der sozialste aller Menschen, ich tue mich oft schwer, auch nur das Haus zu verlassen, aber wenn ich eine Chance bekomme, an einer Rollenspielrunde teilzunehmen, dann gehe selbst ich vor die Tür und unter Leute. Ich weiß, ich klinge da jetzt wie der letzte Nerd, und sicherlich bin ich einer. Aber es ist einfach mein liebstes Hobby, und zur Zeit, wo wir eine neue Runde am Start haben, gerade mal wieder besonders.

Es ist auch eines meiner allerältesten Hobbys. Ich habe damit angefangen, als ich zirka dreizehn, vierzehn Jahre alt war und wir Kinder zu Weihnachten die Basis-Box des Rollenspiels »Das Schwarze Auge« bekommen haben – und so spielten wir das auch, wie ein Gesellschaftsspiel, mit der ganzen Familie, jedes Wochenende ein paar Stunden. Mein Vater war meistens unser Spielleiter, alle vier Kinder spielten mit, und auch meine Mutter war dabei, auch wenn sie aus der »Orkland-Trilogie« ausgebaut werden musste, weil sie sich weigerte, das Pony allein zurückzulassen, aber sowas passiert schon mal, wenn man seinen Charakter voll ausspielt und ganz darin ausgeht.

Meine Eltern und meine Schwester spielen heute nicht mehr, meine Brüder sind wie ich bei der Sache geblieben, auch wenn es Jahrzehnte her ist, dass ich zuletzt eine Runde mit ihnen gespielt habe. Heute spiele ich überwiegend mit meinem Mann, den ich – ganz klassisch – in einer Rollenspielrunde kennengerlernt habe. Und auch andere wichtige Menschen in meinem Leben habe ich übers Rollenspielen kennengelernt, wie meine Mitbwohnerinnen aus meiner WG-Zeit. In Film und Fernsehen werden Rollespieler gerne als verschrobene Sonderlinge dargestellt, die sonst weder Hobbys noch Freunde haben, aber ich kenne kaum eine sozialere Beschäftigung als das Gaming.

Natürlich gibt es Abstufungen. Nicht jeder, der als Hobby ab und an eine Runde spielt, würde sich gleich als Hardcover-Gamer bezeichnen. Für die einen ist es eine nette Nebenbei-Beschäftigung, für andere grenzt es an einen Lebensinhalt. Für mich ist es eine Möglichkeit, jemand anderes zu sein, und das bedeutet auch üblicherweise: jemand, dessen männliche Identität nicht infrage gestellt wird. Schon als ich als Schüler gespielt habe, viele Jahre, bevor ich verstanden habe, dass ich trans bin, waren meine Rollenspielcharaktere durch die Bank männlich. Auch heute sind sie das nahezu exklusiv, und ich merke, dass es mir guttut, mal ganz selbstverständlich mit männlichen Pronomen angesprochen zu werden, ohne dass sich die Leute viel dabei denken.

Meine Mitspieler:innen wissen überwiegend nicht, dass ich trans bin. Alles, was sie zu wissen haben, ist, dass mein Charakter ein Mann ist, und dann reicht einmal am Anfang ein kleiner Hinweis, die erste Verwirrung ist ausgeräumt, und dann ist es für alle klar. Das ist eine Wohltat. Ich spiele immer noch eine Rolle, lebe nicht mein geheimes Alter Ego aus, ich bin eine fiktive Figur und nicht ich selbst, aber ich kann trotzdem dabei diese Seite von mir ausleben, ohne mich erklären zu müssen, ohne dass jemand etwas dabei findet.

Deswegen hat das LARPen, das Liverollenspielen, bei dem man, dem Stehgreiftheater gleich, seine Rolle in Verkleidung schauspielert, nie den gleichen Stellenwert wie das Tabletop-RPG für mich gehabt: Ich bin da an meinen Körper gebunden, und das bedeutet üblicherweise, dass ich gezwungen bin, eine Frau zu spielen. Und so fühlt sich das auch an, wie Zwang. Einmal hatte ich die Möglichkeit, dabei eine geschlechtslose Figur zu spielen, das war erfrischend, und einmal war mein Charakter trans, aber so extremer Transphobie ausgesetzt, dass ich mich selbst nicht lang wohlgefühlt habe in der Rolle (es war ein Runninggag, dass ich nicht mit »Herr« angeredet wurde, sondern mit »Person« – heute würde ich das nicht mehr mit mir machen lassen).

Also bin ich ein Pen-and-Paper-Gamer. Aber ich bin auch immer noch ein Autor. Und das lässt sich nicht trennen. Ich entwickle meine Rollenspielcharaktere genauso, als wären sie Figuren in einem meiner Bücher. Ich schreibe ihnen Hintergrundgeschichten, über denen meine Spielleiter zusammenbrechen, weil sie Angst haben, ich frage das alles ab, und sie müssen das alles ins nächste Abenteuer einbauen – aber darum geht es mir gar nicht. Ja, natürlich freue ich mich, wenn ein Charakter daran arbeiten kann, seine Hintergrundgeschichte aufzulösen. Und ich bin enttäuscht, wenn die Spielleiter überhaupt niemals darauf eingehen, dass ich so eine Hintergrundgeschichte überhaupt habe.

Aber ich mache das nicht, um die Handlung an mich zu reißen oder zu diktieren, um was es in dem Abenteuer geht. ich mache das für mich, um zu verstehen, wie und warum meine Charaktere handeln, wie sie handeln. Beim Rollenspielen muss man oft auf Situationen reagieren, auf die man sich nicht vorbereiten konnte, und es muss im Zweifelsfall schnell gehen: Da hilft es mir, meinen Charakter wirklich gut zu kennen, um zu wissen, was ich als nächstes tue. Greife ich an? Renne ich weg? Rede ich mich raus, und wenn ja, wie? Das hängt vom Charakter ab. Und mit jeder Sitzung, die ich eine Figur spielen kann, lerne ich sie besser und besser kennen.

Das habe ich als Autor schon mehrmals ausgenutzt. Habe das Konzept für eine neue Romanfigur genommen, auf das Rollenspielsystem zurechtgebogen, und dann sehr viel darüber gelernt, wie diese Figur sich in Stresssituationen und auch sonst so verhält. Auf diese Weise ist der Fälscher Kevron aus der Neraval-Sage in einer Pathfinder-Runde als Magier aufgetreten – ein Fälscher war er trotzdem noch, ein Feigling außerdem, aber ich habe sehr viel über sein Sozialverhalten auf dem Weg herausgefunden. Byron und Jarvis, die inzwischen geschassten Protagonisten des komplett neu aufzuziehenden Buches »Klagende Flamme«, habe ich in verschiedenen Runden gespielt – die beiden habe ich sogar ursprünglich als Rollenspielcharaktere entwickelt, sie dann in die Geschichte übernommen, und dann haben sich die Wege von Buch und RPG wieder auseinanderentwickelt.

So gut ich die Figuren im Rollenspiel kennenlernen kann – im Buch verhalten sie sich dann am Ende doch ganz anders. Andere Abenteuer prägen den Charakter auf unterschiedliche Weise. Und weil ich an den Hintergrundgeschichten drehen muss, damit sie in die Rollenspielwelten passen, klaffen Romanfigur und Rollenspielcharakter auch bei gleichem Namen schon mal gewaltig auseinander. So ist Anrdeu Madun aus den »Tränenjägern« als DSA-Charakter kein Nekromant mehr, weil man da in einer Runde guter Helden kein Nekromant sein kann, das ist eine zutiefst böse Beschäftigung: So habe ich ausgerechnet einen Bannmagier aus ihm gemacht. Und er funktioniert da so la-la- im Buch habe ich, zugegeben, mehr Spaß mit ihm. Aber DSA ist auch nicht mein Lieblingssystem.

Ich habe im Laufe der Jahre alle möglichen Rollenspielsysteme ausprobiert. Ich habe sehr intensiv Storytellingsysteme wie die »World of Darkness« gespielt – Vampire, Werwölfe, Geister, Wechselbälger, Magier – und habe da auch lange großen Spaß dran gehabt. Zur Zeit habe ich mehr Lust auf klassisches Fantasyrollenspiel à la »Dungeons and Dragons« oder »Pathfinder«, wo man mehr Gelegenheiten zu kämpfen hat. Privat bleibe ich Pazifist, und in meinen Büchern wird auch nicht viel gekämpft, weil ich einfach schlecht darin bin, das zu beschreiben. Aber als Gamer habe ich Spaß an epischen Kämpfen, und ich schaue gern, wie ich die Regeln dafür zu meinem Vorteil nutzen kann. Früher war ich ein echter Tintenpisser, wo es um die Regeln ging, habe lang mit Spielleitern und Mitspielern darüber diskutiert und mir damit nicht nur Freunde gemacht – das habe ich mir heute weitgehend abgewöhnt. Da steht mehr der Spaß im Mittelpunkt als das Powergaming.

Wahrscheinlich bin ich auch einfach reifer geworden und geduldiger. Ich bin seit Ewigkeiten nicht mehr auf einem Rollenspielcon gewesen, dafür komme ich zu wenig aus dem Haus, und unsere Runde setzt sich zusammen aus Menschen, von denen einige wie ich seit Jahrzehnten spielen und andere noch nicht so viel Erfahrung haben – und wir alle wollen Spaß daran haben. Zu meinen Powergamerzeiten war die ganze Runde entsprechend aufgestellt, da funktioniert so etwas, da hat jeder versucht, möglichst zu rocken, und ich war sogar in einer Usegroup für Regeldiskussionen – daran merkt man aber auch, wie lang das schon her ist. Gibt es Usegroups überhaupt noch? Heute versuche ich mir Regeldiskussionen jedenfalls zu verkneifen. Und ich hoffe, dass ich diese guten Vorsätze auch dann noch werde halten können, wenn ich mich mal ungerecht behandelt fühle. Ich liebe das Rollenspielen. Aber es bringt nicht nur meine besten Seiten zum Vorschein.

Ich weiß, dass ich nicht der allereinfachste Mitspieler bin. Und das nicht mal wegen der Regeldiskussionen – die habe ich in Storytelling-Systemen nie an den Tag gelegt – aber weil ich oft Charaktere mit extremen Persönlichkeiten gespielt habe, weil meine Charaktere dann mit anderen Charakteren aneinanergeraten sind. Was ich persönlich durchaus spannend finde, eine Runde muss nicht immer nur harmonisch ablaufen, und aus Zwist zwischen den Hauptfiguren entstehen die besten Plots – aber das funktioniert eben nicht mit allen Spielern. Und so ist es mir in meiner Zeit in Köln passiert, dass meine Runde mich beiseitegenommen hat und mir freundlich mitgeteilt, dass einer der Spieler solche Probleme mit mir beziehungsweise meinen Charakteren hat, dass er nicht mehr weiter mit mir spielen möchte. Das tat weh. Freunde sind wir trotzdem geblieben, aber die Runden fanden dann ohne mich statt, und ich musste mir neue Mitspieler suchen.

Als Autor erlebe ich ja bis heute, dass die Leser:innen meine Figuren oft nicht mögen, daher vermute ich, dass es einfach mit der Art liegt, wie ich Charaktere konzipiere, und ich weiß, dass sie zu Problemen neigen – aber ich habe einfach selten Lust auf durch und durch heldenhafte Sonnenscheinchen, beim Schreiben oder beim Rollenspielen. Nicht, dass ich nicht schon mal den heldenhaftesten aller rechtschaffen guten Helden gespielt habe, wir lachen heute noch über ihn, aber meistens sind meine Charaktere sind mindestens leicht, eher stärker angeknackst. Damit kann ich mich identifizieren, darin finde ich mich wieder, und beim »ein anderer sein« geht es mir nicht darum, perfekt zu sein oder meine persönlichen Ideale zu verkörpern, sondern in die Haut von jemandem zu schlüpfen, der Probleme hat und selbst lernt, über sie hinauszuwachsen. Darum sammle ich gerne Erfahrungspunkte, steige Level auf, und erfreue mich daran, wie meine Charktere heranreifen und zu besseren, stärkeren Personen werden.

Ich freue mich besonders über diese neue Runde, die am Mittwoch zum zweiten Mal überhaupt stattfinden wird, denn bei der Einführungssitzung am Sonntag hat einfach alles gestimmt. Die Spieler:innen arbeiten gut zusammen, die Charaktere begegnen sich mit genau der richtigen Mischung aus Misstrauen und Offenheit, und die Stimmung war freundschaftlich und offen, dafür, dass ich die halbe Gruppe gerade erst kennengelernt habe. Ich bin mit zwei Charkterkonzepten an den Start gegangen, um, wenn ich die anderen Spieler etwas einschätzen kann und weiß, wie die Gruppe so zusammengesetzt ist, zu entscheiden, wen ich spiele.

Das eine war ein sehr von sich eingenommener, aber auch freundlicher und durch und durch heldenhafter, Elfenkrieger, der unter dem Schlagwort »Egolas« läuft und der sich problemlos in jede Runde integrieren lässt – das perfekte Gegenstück zu Anfängercharakteren, und ich hätte sicherlich mit ihm meinen Spaß gehabt, aber ich hoffte, dass ich doch mein anderes Konzept würde spielen können, meinen halbelfischen Barbaran Kerym’tal, der so aggressiv ist und so verletzlich und wirklich kein Sonnenschein und auf den zu spielen ich seit sechs Jahren gewartet habe – so lang ist es her, dass unsere letzte Pathfinder-Runde sich nach wenigen Sitzungen aufgelöst hat. Und nach dem ersten positiven Beschnuppern und nachdem die anderen ihre Konzepte vorgestellt hatten, wusste ich, Egolas darf in der Schublade bleiben, ich spiele meinen Halbelfen.

Und jetzt habe ich übel Lust, seine Geschichte zu einem Buch auszuwalzen. Ja, ich weiß, der Nanowrimo steht vor der Tür, aber Kerym’tal ist in meinen Augen bei aller Liebe keine Romanfigur, sondern ein ganz typischer RPG-Charakter. Vor allem ist er aus einer Romanfigur von mir hervorgegangen, er ist ein mutierter Erbe meines Elfensklaven Kael aus den »Schattenklingen«, der wiederum aus einer Fanfiction zum Computerspiel »Dragon Age: Origins« weiterentwickelt wurde. Er hat die tragischste Hintergrundgeschichte, die ich mir irgendwie vorstellen kann, aber ich will sie nicht in einem Buch lesen müssen, noch nicht mal in einem eigenen. Und eigentlich will ich auch nicht seine Geschichte aufschreiben, sondern dass die Rollenspielrunde weitergeht, dass es endlich Mittwochabend ist und wir erfahren, wie es mit unseren Helden in Castow weitergeht.

Und was das Schreiben angeht: Da habe ich mich zum Chronisten unserer Gruppe erklärt und angefangen, die Abenteuer der Gruppe in einem Blog festzuhalten. So hate ich wieder mal einen Grund, mehrere Tage komplett mit Webdesign zu verbringen, einem Hobby, das ich oben vergessen habe aufzuzählen und das mir doch auch sehr viel bedeutet. Braucht eine Runde, die erst einmal stattgefunden hat, ein eigenes Blog? Natürlich tut sie das! Die Domain hatte ich ja noch von früher, WordPress ist schnell eingerichtet, und die Inhalte – praktisch, um vor der nächsten Sitzung noch mal nachzulesen, was beim letzten Mal passiert ist, amüsant für alle Beteiligten, und für mich eine Arbeit, an der ich wirklich Spaß haben. Das habe ich vor dreizehn Jahren schon mal gemacht, und als ich diese Chroniken jetzt wiedergefunden habe, hatte ich viel Spaß daran und habe wieder einmal festgestellt, dass ich durchaus witzig sein kann. Da hilft auch nicht die tragischste aller Hintergrundgeschichten: Wenn man die Charaktere dann spielt, wird doch mehr gelacht als geweint, man macht mehr falsch als richtig, und das macht den Reiz des Rollenspiels aus.

Deswegen tauge ich auch nicht zum Spielleiter, obwohl ich als Autor doch eigentlich prädestiniert sein müsste, die besten, spannensten, ausgefeiltesten Abenteuer zu schreiben. Ich habe es versucht, ich hatte einen tollen Aufhänger, einen detailierten Plot – und meine Spieler haben sonstwas gemacht, nur nicht das, was sie wollten. Ich mag Romanfiguren, die sich kontrollieren lassen, die zwar ein gewisses Maß an Eigendynamik mitbringen, aber mir die Zügel überlassen. Als Spielleiter bin ich nicht flexibel genug. Ich will, dass es genau so abläuft, wie ich das geplant habe, und wenn sich die Spieler dann rundheraus weigern, den Ring des Bastardprinzen zum Königshof zu bringen, weil der sich gern für tot erklären lassen möchte, mein Plot am Königshof weitergeht und meine paranoiden Spieler nicht wollen, dass man sie für den vermeintlichen Tod des Bastards zur Verantwortung zieht und darum den Auftrag nicht annehmen – dann stehe ich da mit einer Kampagne, in die viele Stunden Arbeit geflossen sind und die vor die Wand gefahren ist.

Ein erfahrener, guter Spielleiter findet dann eine andere Möglichkeit, wie und wo es weitergehen kann. Aber mir gelingt das nicht, jedenfalls nicht so, dass ich selbst Spaß daran hätte. Ich habe im Laufe meines Lebens die eine oder andere Runde geleitet, auf Conventions wie auch im Freundeskreis, und von den Mitspielern kam immer positives Feedback, die Leute hatten Spaß an meinen Abenteuern und hätten auch mehr davon haben wollen – aber mich stresst es, ich habe zu wenig Spaß, und darum überlasse ich das Spielleiterfeld lieber anderen. Mein lieber Mann, hingegen, spielleitet durchaus gerne, auch wenn er dann manchmal unglücklich ist, dass er selbst nicht mitspielen kann. Aber er ist ein wirklich guter Spielleiter, und ich fühle mich in seinen Abenteuern wohl – und so sicher, dass ich dort sein kann, wer ich will.

Jetzt spiele ich seit fünfunddreißig Jahren. Und freue mich schon auf die nächsten fündunddreißig. Man kann als Grundschulkind mit dem Rollenspielen anfangen oder als Rentner und immer mit Spaß bei der Sache sein. Es schult Kreativität, Einfühlungsvermögen, Kommunikation – wirklich, ihren schlechten Ruf haben Rollenspiele nicht verdient, und es sind mitnichten nur picklige junge Männer, die da in schlechtbeleuchteten Buden zusammensitzen und Pizza mampfend ihre Würfel rollen. Es sind auch seriöse Endvierziger. Und die Buden können sauber und gut ausgeleuchtet sein. Und manchmal gibt es auch richtiges Essen – so gern ich auch meine Rollenspielpizza liebe. Vielleicht ist an jedem Vorurteil auch ein wahrer Kern.

Und jetzt habe ich so viel geschrieben, dass es beinahe schon Mittwoch ist. Und freue mich darauf, weiterzuspielen. Wer wissen will, wie es Kerym’tal dann ergangen ist: Das Blog, zu finden unter Huzzah.de, ist offen für alle. Schaut doch mal vorbei!

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