Hin und Heer

Oh. Mein. Gott. Was habe ich mir nur angetan? Ich bin nicht für den Krieg geschaffen, auch nicht als Autorin. Jeden Tag habe ich Lust, die Brocken hinzuschmeißen – Falkenwinter macht mich fertig, und zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann ich mir nicht vorstellen, daß ich dieses Buch fertigstellen kann. Ich bin im fünften Kapitel, das ist das erste Kapitel, das ich für dieses Buch überhaupt im Kopf hatte und von dem ich annahm, es genau und durch und durch geplottet vor Augen zu haben. Es enthält den entscheidenden Wendepunkt in Varyns Leben, die Schlüsselszene schlechthin (und das im Wortsinn, aber wenn ich das jetzt erkläre, habe ich später einen Knalleffekt weniger), es ist so unglaublich wichtig, und von Anfang an war geplant, es aus Gavens Sicht zu schreiben, einer Perspektive, die immer funktioniert und die man einfach laufen zu lassen braucht – und es funktioniert nicht.

Ich habe etwas tun müssen, das ich in zehn Elomaran-Jahren noch nie getan habe, seit ich im März 2000 den Anfang des zweiten Kapitels von Engelsschatten zweimal angefangen habe. Aber diesmal geht es nicht um eine halbe Seite, oder um drei, sondern gleich zehn. Vom Kapitel Fünf gibt es zwei Versionen, A und B, und dauernd muß ich Text von der finalen Version in die Wegwerfversion schieben, und es wird immer noch nicht gut. Mein Problem ist meine militärische Unerfahrenheit. Ich versuche, mir alles von Christoph erklären zu lassen, merke mir alles, und versuche dann, jedes Detail in die Geschichte einzubauen – das Ergebnis wurde ein seelenloses Stück Müll, leblos und lieblos, und ausgerechnet Gaven, mein pflegeleichtester Charakter, verweigerte sich mir.

Also, zurück auf Null und von vorne anfangen. Die Szene im Heerlager, in dem Gaven langsam verroht, der Blick auf das Kleine statt auf das Große, wurde wirklich gut und gefällt mir immer noch. Die bereits aussortierte Szene, in der Gaven versucht, dem Zeugmeister ein Schwert aus den Rippen zu leiern, muß überarbeitet werden, ist aber gut und sinnvoll. Ich schöpfte neuen Mut, erkannte, daß ich nicht zuviel Zeit mit dem Heerlager und Patrouillelaufen und so vertrödeln, sondern direkt in die Schlacht eintauchen möchte, und schrieb eine ergreifende Szene mit Gaven in der Schlacht. Es ging wieder aufwärts – bis ich Christoph verriet, was ich da geschrieben hatte. Und er mein Schlachtszenario zerpflückte: Es war ergreifend, dramatisch, und vollkommen unrealistisch. Also wieder sieben Seiten wegschmeißen, zurück auf Null komma fünf, und mit Hilfe von Skizzen, die ich schon jetzt nur noch halb durchschaue, wurde ein neus Schlachtszenario entworfen.

Ich habe mir den Krieg, den ich gerne geschrieben hätte, selbst verbaut. Alle meine Hauptfiguren sind gerade erst angekommen, der Krieg ist vorbei bis auf die letzte große Schlacht – so kann ich niemanden beschreiben, der seit Monaten unter Lebensgefahr durch den Schlamm robbt, seine Freunde hat sterben sehen und nur noch hofft, irgendwie heile da rauszukommen. Die Probleme, die ich vergangenes Jahr mit dem Kontinuum hatte, rächen sich hier: Ich habe den Plot gerettet, indem ich vieles vom Schlachtfeld in Loringaril nach der Hauptstadt Doubladirs verlagert habe, mit dem Ergebnis, daß sie dann eben nicht auf dem Schlachtfeld waren. Ich kann nicht alles haben. Logik und Stringenz gehen vor, und daß ein Krieg schrecklich ist, sollten die Leser auch so wissen – und wenn nicht, ganz ehrlich, sollten sie Im Westen nichts Neues lesen. Da weiß der Autor jedenfalls, wovon er schreibt. Und ich kann mich auf das konzentrieren, was ich kann, und ein verdammt gutes Buch schreiben.
Hoffe ich zumindest.

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