Der Romanfriedhof: »Der Siegelstein«

Die meisten Bücher, die auf dem Romanfriedhof landen, schlafen einfach irgendwann friedlich ein, und nach einigen Jahren des Brachliegens finde ich sie wieder und stelle fest, dass sie in der Zwischenzeit gestorben sind. Nicht so »Der Siegelstein«. Das Ableben dieses Romans war laut und tosend und führte schließlich zu einem Happy End, von dem das Buch selbst nichts mehr hatte.

Es war 1997, ein für mich in jeder Hinsicht bedeutsames Jahr. Im Frühling hatte ich meine Diplomarbeit zeitgleich mit meinem ersten Roman beendet – also nach zig Projekten, aus denen nichts geworden war, dem ersten Roman, der es bis zum Ende schaffte – und stand im Sommer, zweiundzwanzig Jahre alt, mit einem Diplom in der Tasche und einem Roman in der Schublade und ohne etwas zu tun. Ich schrieb Bewerbungen, aber die Berufsaussichten für Bibliothekarinnen waren schlecht, und ich wusste nicht viel mit mir anzufangen. Wieder etwas schreiben, natürlich – nur das wollte, fand ich, gut geplant sein.

So viele Bücher hatte ich vor die Wand geschrieben und nur ein einziges fertig, und ich suchte die Schuld in der Projektauswahl: Nach all den Romanwracks, die ich aus dem Bauch und einer Laune heraus angefangen hatte, sollte beim Nachfolger der »Flöte aus Eis« nichts dem Zufall überlassen werden – von nun an sollte jedes Buch, das ich anfing, auch fertig werden, und die Lösung dafür darin bestehen, dass ich einen nicht hundertprozentig erfolgsversprechenden Kandidaten gar nicht erst anfangen durfte.… Weiterlesen

Wenn Dummheit weh täte …

Hier bin ich, die Königin der Backups. Die große Mahnerin und Warnerin, die im Forum immer wieder Sätze von sich gibt wie »Denkt daran, immer alles zu Backuppen!« und »Ihr könnt euren Text hier im Forum hochladen, dann geht er nicht verloren!« Und warnend und mahnend habe ich auf die armen Autoren hinuntergeblickt, die es geschafft haben, kostbare Wörter zu verlieren, durch Dummheit und fehlende Backups… Aber neben dem Nanowrimo habe ich zur Zeit noch ein anderes Lieblingsspielzeug, und das ist mein neuer Laptop. Der erste eigene Laptop meines Lebens. Ich hege ihn, pflege ihn, und betreibe ihn mit Ubuntu Linux. Er hat eine vierzig-Gigabyte-Festplatte, was mir erst viel zu groß vorkam, bis ich auf die Idee kam, auf die 15GB-Partition, die ich am Ende übrig hatte (15GB fürs System, 9GB für /home und 1GB für SWAP) meine Musik zu packen. Filme und Spiele haben auf dem Laptop nichts zu suchen, aber gibt es etwas schöneres, als meine Kollektion an Folk- und Rock-CDs, umgwandelt in OGG-Dateien von bester Qualität, während des Schreibens hören zu können? Und so wurde die letzte Partition dann unter /media/musik eingehängt.

Doch die 15GB stießen schnell an ihre Grenzen – und als ich heute meine frisch eingetroffene John-Renbourn-Group-CD nach erfolgreichem Auslesen auf dem Läppi einspielen wollte, war die Musikpartition schon voll.… Weiterlesen

Zehntes Kapitel: Die Spur der Elster

Oh, was für eine niederschmetternde, scheußliche Arbeit: Text abtippen, den man schon mal früher abgetippt hat. Nur weil man dumm genug war, elf Seiten markierten Text zu überschreiben – und dann zu speichern! – statt die Markierung wieder zu entfernen. So demotiviert war ich zuletzt in der zehnten Klasse, als ich während des Matheunterrichts einen Krimi schrieb. Doppelt Gemordet Hält Besser. In eine kleine schwarze Kladde. Sehr stylisch, und weil es so eine kleine Kladde war – nicht mehr als DIN A6, möchte ich meinen – hatte ich auch schon stolze 60 Seiten Text zusammen. Nicht alles aus einer einzigen Mathestunde, natürlich: Das Ergebnis mehrerer fleißiger Wochen.

Bis mein Mathelehrer auf mich aufmerksam wurde. Und mir die Kladde wegnahm. Soweit alles ja noch pädagogisch vertretbar: Welcher Lehrer will schon, daß seine Schülerin unter der Bank Kriminalromane liest, geschweige denn schreibt? Obwohl meine mündliche und schriftliche Leistung nichts zu wünschen übrig ließ, von mangelnder Hausaufgabenmoral einmal abgesehen, aber die gehören ja auch nicht zu dem, was man während der Stunde unter der Bank machen sollte. Doch Lehrer S. ging noch weiter: Er riß die letzten acht Seiten, die ich geschrieben hatte, aus der Kladde. Und weil diese kleinen Chinakladden fadengeheftet sind, verabschiedeten sich auch noch acht weitere Seiten aus dem bereits geschriebenen Teil.… Weiterlesen